MHH-Info: In 560 Fällen wichtige Spuren gesichert

Die Ärztinnen Stefanie Hoyer und Professorin Anette Debertin (rechts) betreuen Frauen, die sich an ProBeweis wenden.

Vor fünf Jahren startete das Netzwerk ProBeweis an der MHH. Inzwischen ist es zur professionellen Beweissicherung für Opfer von häuslicher und/oder sexueller Gewalt in 26 Städten Niedersachsens vertreten. Seit 2012 konnten durch das Projekt, das vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung finanziert wird, in insgesamt 560 Fällen gerichtsverwertbare Befunde und Spuren einer Gewalttat gesichert und dokumentiert werden. Das Besondere: Die Untersuchung und Spurensicherung bei ProBeweis erfolgt losgelöst von einer Anzeige bei der Polizei. Ein prozessrelevantes Gutachten kann nach späterer Anzeige durch die Opfer so auch noch mehrere Jahre nach der Tat abgerufen werden.

 

Einer europaweiten Studie zufolge erleiden 22 Prozent aller Frauen in Deutschland einmal oder mehrmals im Leben körperliche oder sexuelle Gewalt. Die polizeiliche Kriminalstatistik erfasste für das Jahr 2015 allein in Niedersachsen rund 16.500 Fälle häuslicher Gewalt. 80 Prozent der Opfer waren Frauen. „Vielen Betroffenen fällt es schwer, direkt nach erlebter häuslicher oder sexueller Gewalt eine Anzeige zu erstatten. Für ein mögliches späteres Gerichtsverfahren ist es jedoch sehr wichtig, sofort nach der Tat fachgerecht Spuren wie Würgemale, Hämatome oder Sperma zu sichern, medizinische Befunde zu erheben und alles zu dokumentieren“, erklärt Professorin Dr. Anette Debertin vom MHH-Institut für Rechtsmedizin, die das Projekt leitet. „In unseren Untersuchungsstellen haben die Opfer die Gelegenheit, Beweise zeitnah, gerichtsfest, kostenlos und vertraulich sichern zu lassen.“ Das Angebot richtet sich gezielt an Betroffene, die noch keine Anzeige erstattet haben.

 

Als das Netzwerk 2012 gegründet wurde, gab es drei Anlaufstellen für Betroffene: das MHH-Institut für Rechtsmedizin, dessen Außenstelle in Oldenburg und als erste offizielle Partnerklinik die MHH-Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Mittlerweile gibt es 30 Untersuchungsstellen in 26 Städten. Damit ist ProBeweis in vielen Landkreisen Niedersachsens präsent. „Alle Partner sind von sich aus auf uns zugekommen“, freut sich Professorin Debertin. „Das große Interesse zeigt, dass

Ärzte im Alltag immer wieder mit Gewaltopfern zu tun haben und dass unser Angebot gebraucht wird.“

Ärzte werden geschult

 

Am Anfang jeder Kooperation steht eine rechtsmedizinische Schulung für die Ärzte der jeweiligen Partnerklinik. „Wir erklären den Kolleginnen und Kollegen, wie sie bei der Untersuchung am besten vorgehen, wenn sie die Spuren gerichtsverwertbar dokumentieren wollen“, erläutert Stefanie Hoyer. Die Ärztin unterstützt Professorin Debertin bei dem Projekt. Die Schulungen werden regelmäßig wiederholt. Außer dem Fachwissen stellen die Ärztinnen den Partnerkliniken auch Untersuchungskits zur Verfügung. In den Kits ist alles enthalten, was die Kollegen zur Spurensicherung brauchen, beispielsweise Abstrichtupfer und Blutund Urinröhrchen. Ein Dokumentationsbogen führt die Mediziner durch die Untersuchung. „Danach versiegeln sie das Kit und schicken es zu uns nach Hannover“, erklärt Stefanie Hoyer. Im Institut für Rechtsmedizin wird dort alles fachgerecht aufbereitet. Dabei werden die Asservate für mindestens drei Jahre und die schriftliche Dokumentation für 30 Jahre gelagert.

 

Entschließen sich die Betroffenen zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Anzeige, erstellen die Rechtsmedizinerinnen bei Bedarf im Auftrag der Polizei ein gerichtsfestes Gutachten. „Dass die Betroffenen eine Anzeige erstatten, ist nicht das oberste Ziel des Projekts“, sagt Professorin Debertin. „Für die meisten Opfer ist es einfach wichtig, die Tat dokumentiert und die Beweise gesichert zu wissen. Diese Sicherheit ist oft eine gute Grundlage für eine Entscheidung.“ Darüber hinaus finden viele Betroffene über ProBeweis den Weg zu anderen Hilfseinrichtungen und Beratungsstellen, die sie unterstützen können.

 

Das Netzwerk ProBeweis wird vom Niedersächsischen Sozialministerium mit 270.000 Euro pro Jahr gefördert. Professorin Anette Debertin und Stefanie Hoyer sind froh darüber, dass das Netzwerk sich inzwischen über ganz Niedersachsen erstreckt. Die Frauen, in seltenen Fällen auch Männer, finden so wohnortnah Hilfe.

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